Einführung
Wir freuen uns, Ihnen im Rahmen des Projekts „NEWS“ (National Early Warning System), dem bundesweiten Frühwarnsystem zu Neuentwicklungen im Bereich psychoaktiver Substanzen und Medikamentenmissbrauch, ein Update zum ersten Quartal 2024 präsentieren zu können.
Leider neigt sich die Projektlaufzeit mittlerweile dem Ende zu, sodass dies nun das (vorerst) letzte Quartals-Update sein wird. Wir möchten uns daher an dieser Stelle nochmals ganz herzlich bei allen Personen und Institutionen bedanken, die sich in verschiedenen Rollen und mit unterschiedlichen Expertisen als Teil unseres Netzwerks eingebracht haben: Wir danken sämtlichen Expert:innen aus dem Netzwerk, die uns im Rahmen von Fokusgruppen, Umfragen oder informell Informationen zugeliefert und uns zudem durch die Verbreitung von Befragungsaufrufen unterstützt haben, sowie allen Konsumierenden, die an unserer Umfrage im Rahmen des Routinemonitorings teilgenommen haben. Im Besonderen möchten wir uns bei allen Einrichtungen bedanken, die als NEWS-Abgabestellen für „verdächtige“ Substanzproben fungierten, sowie bei denjenigen Konsumierenden, die dort Proben abgegeben haben; und nicht zuletzt natürlich auch beim Projekt ADEBAR plus, das die Analysen durchgeführt hat – ohne sie wären schließlich keine Warnmeldungen möglich gewesen. Auch bedanken wir uns ganz herzlich bei all denjenigen, die uns – etwa durch das Teilen von Warnmeldungen – bei der Informationsverbreitung unterstützt haben, insbesondere beim Projekt Mindzone, das uns überdies einen schicken Internetauftritt ermöglicht hat!
HIGHLIGHTS IN DIESEM QUARTAL
-
Erkenntnisse aus einer Fokusgruppe mit Expert:innen aus unter anderem der Partyszene im Rahmen des NEWS-Routinemonitorings
-
Durchführung eines Trendspotters zum Thema Lachgas, der Bericht erscheint in Kürze unter: https://mindzone.info/news/trendspotter/
-
Veröffentlichung von fünf Warnmeldungen, die zu Substanzproben erstellt wurden, die über NEWS aufgrund eines vermuteten hohen Schadenspotenzials zur Analyse eingeschickt wurden:
4-CMC statt „pure 4-MMC“ [8. Dezember 2023]
Unzureichend deklarierte „Räucher-/Kräutermischung“ [10. Januar 2024]
2C-E STATT LSD [10. Januar 2024]
(Halb-)Synthetisches Cannabinoid HHC-P-Acetat [27. Februar 2024]
Synthetisches Cannabinoid MDMB-4en-PINACA in Cannabis [29. Februar 2024]
Sämtliche NEWS-Veröffentlichungen sowie weiterführende Informationen zum Projekt finden Sie immer aktuell hier:
Routinemonitoring: Online-Befragung und Fokusgruppe
Was haben wir gefragt?
Seit Ende November 2021 erheben wir mittels Online-Fragebögen und Fokusgruppen fortlaufend Daten zu gesundheitsgefährdenden Entwicklungen im Bereich psychoaktiver Substanzen und Medikamentenmissbrauch. Befragt werden hierbei Konsumierende sowie Expert:innen aus dem Drogen- und Suchthilfekontext. Der Fragebogen für Konsumierende umfasst neben Fragen zu gesundheitsrelevanten Entwicklungen auch Fragen zur Soziodemografie und zum Substanzkonsum. Seit November 2023 laden wir zudem, je Quartal rotierend, Expert:innen aus der klassisch niedrigschwelligen Hilfe (Konsumräume, Kontaktcafés, Streetwork) und Expert:innen aus dem „neueren“ niedrigschwelligen Bereich (Partyprojekte, Online-Streetwork, niedrigschwellige Prävention bei Jugendlichen) zu Online-Fokusgruppen ein, um vertieft neue Entwicklungen innerhalb bestimmter Szenen zu erörtern. In die vorliegende Auswertung flossen Daten aus dem Zeitraum vom 1. Dezember 2023 bis zum 7. März 2024 ein.
Wer hat geantwortet?
Von den insgesamt n = 174 Konsumierenden waren
- 41,4 % weiblich
- 50,0 % männlich
- 4,6 % divers
- 4,0 % machten keine Angabe zu ihrem Geschlecht.
Die Konsumierenden gaben an, zwischen 16 und 86 Jahre alt zu sein (Medianalter = 23,5 Jahre, arithmetisches Mittel = 27,1 Jahre, SD = 11,7 Jahre) und damit niedriger als in unseren bisherigen Erhebungen. Die Wohnsitze/gewöhnlichen Aufenthaltsorte der Konsumierenden werden in u.s. Karte dargestellt. Auffällig ist dabei insbesondere die – auch im Vergleich zu den früheren Quartals-Updates – hohe Anzahl an Teilnehmenden aus Sachsen-Anhalt.
Wohnsitze/gewöhnliche Aufenthaltsorte der Konsumierenden nach Bundesland (n = 174 Konsumierende, n = 4 außerhalb Deutschlands; Einfachnennung)
Rekrutierung
Die Konsumierenden wurden über die folgenden Wege rekrutiert:
- 51,1 % über ein Party-/Peer-Präventionsprojekt
- 4,6 % über eine Suchthilfeeinrichtung
- 4,0 % über Streetwork
- 40,2 % über sonstige Wege, insbesondere über schulische Einrichtungen
Insgesamt n = 124 Konsumierende berichteten über mindestens eine substanzspezifische Neuentwicklung (n = 120) oder ein neues Phänomen (n = 36). Darüber hinaus machten n = 136 Konsumierende Angaben zu ihrem Substanzkonsum.
Für die Erstellung und Durchführung der Online-Befragung wurde die Software SoSci Survey verwendet, die Auswertung erfolgte mittels RStudio und Microsoft Excel.
An der Fokusgruppe nahmen insgesamt n = 11 Expert:innen aus dem Bereich der „neueren“ niedrigschwelligen Hilfe (vorwiegend Partyprojekte) teil. Die Expert:innen stammten aus Bayern, Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen. Zudem wurden die schriftlichen Antworten von vier weiteren Expert:innen aus Baden-Württemberg, Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt berücksichtigt, die auf eine kurze Abfrage im Vorfeld der Fokusgruppe via E-Mail eingegangen waren.
Die Fokusgruppe fand am 20. Februar 2024 online via Microsoft Teams statt und dauerte 120 Minuten. Sie wurde mittels der Funktion Xbox Game Bar aufgezeichnet und unter Zuhilfenahme von MAXQDA, einer Software zur computergestützten qualitativen Daten- und Textanalyse, transkribiert und ausgewertet.
Was sind hauptsächliche Ergebnisse?
Substanzkonsum
Die 30-Tages- sowie 12-Monats-Prävalenzen der am häufigsten genannten Substanzen sind in den beiden Abbildungen unten dargestellt (bitte Abbildung durch Klick auf „Inhalt laden“ öffnen).
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von datawrapper.dwcdn.net zu laden.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von datawrapper.dwcdn.net zu laden.
Bezogen auf den Konsum der letzten zwölf Monate:
- 69,9 % der 136 Befragten, die Angaben zum Substanzkonsum tätigten, gaben an, Alkohol konsumiert zu haben.
- 46,3 % konsumierten Cannabis (hiervon 45,6 % THC-haltige Cannabisprodukte und 19,9 % CBD-haltige Cannabisprodukte).
- 20,6 % gaben das halbsynthetische Cannabinoid Hexahydrocannabinol (HHC) an.
- Unter den Stimulanzien wurden genannt:
- MDMA (25,0 %)
- Amphetamin (23,5 %)
- Kokain (22,8 %)
- 16,2 % der Befragten führten Ketamin an.
- 19,1 % konsumierten Substanzen aus dem LSD (16,9 %) und psilocybinhaltige Pilze (13,2 %).
- Den Konsum von Heroin in den letzten 12 Monaten berichteten 3,7 % der Konsumierenden.
Medikamente
10,3 % der Befragten gaben an, in den letzten 12 Monaten opioidhaltige Medikamente konsumiert zu haben, am häufigsten Tilidin (6,6 %), Codein (5,9 %) und .
Benzodiazepine wurden von 9,6 % angegeben, darunter:
- Alprazolam (7,4 %)
- Diazepam (5,9 %)
Schnüffelstoffe wurden von 13,2 % der Konsumierenden genannt, vor allem Lachgas mit einer 12-Monats-Prävalenz von 11,8 % und mit 4,4 %. GHB/GBL/BDO wurde von 3,7 % der Konsumierenden genannt.
Insgesamt 10,3 % der Befragten gaben an, neue psychoaktive Stoffe (NPS) innerhalb der letzten zwölf Monate konsumiert zu haben; genannt wurden hier vor allem
- Halluzinogene Research Chemicals (RCs, 10,3 %)
- (3,7 %)
Neuentwicklungen zu bestimmten Substanzen
Die am häufigsten genannten Substanzen/Substanzgruppen, zu denen insgesamt n = 120 Konsumierende angaben, dass diese an Bedeutung gewonnen haben, sind in der Tabelle unten dargestellt.
Substanz(-gruppe) | Konsumierende n (%) |
---|---|
120 (100 %) | |
Lachgas | 54 (45 %) |
Cannabis gesamt | 64 (53 %) |
- davon THC-haltige Cannabisprodukte | 62 (52 %) |
- davon CBD-haltige Cannabisprodukte | 27 (23 %) |
HHC | 39 (33 %) |
Medikamente gesamt | 50 (42 %) |
- davon Opioide | 43 (36 %) |
- davon Benzodiazepine | 23 (19 %) |
NPS gesamt | 47 (39 %) |
- davon halluzinogene RCs | 27 (23 %) |
- davon synth. Cannabinoide | 18 (15 %) |
- davon Cathinone | 18 (15 %) |
Kokain | 33 (28 %) |
Crack | 14 (12 %) |
Ketamin | 37 (31 %) |
Amphetamin | 20 (17 %) |
MDMA | 19 (16 %) |
Hierbei handelt es sich nur um eine Auswahl an Stoffen, zu denen Neuentwicklungen berichtet wurden; Mehrfachnennungen möglich
NPS: synthetische Cannabinoide, Cathinone, synthetische Opioide, „Designer-Benzodiazepine", halluzinogene RCs, andere NPS
Medikamente ges.: Codein, Tilidin, Tramadol, Fentanyl, Substitutionsmittel, Benzodiazepine, Methylphenidat, Lyrica, Z-Drugs, andere Medikamente, Codein, Tilidin, Tramadol, Fentanyl, Substitutionsmittel
Lachgas
Zu Neuentwicklungen in Bezug auf Lachgas machten n = 54 Konsumierende Angaben, dabei bezogen sich n = 22 darauf, dass Lachgas neu in der Szene aufgetaucht sei. Laut n = 11 würde Lachgas insgesamt häufiger konsumiert und laut n = 6 auch höher dosiert. Zudem habe n = 3 Konsumierenden zufolge die Häufigkeit des Mischkonsums von Lachgas mit mindestens einer anderen Substanz zugenommen. Kombiniert würde Lachgas beispielsweise mit Cannabis und MDMA (jeweils n = 2), Alkohol, Kokain und Amphetamin. Bestimmte Usergruppen wurden von n = 8 Konsumierenden mit dem Konsum von Lachgas assoziiert, allen voran Jugendliche/jüngere Leute (n = 6); n = 2 Konsumierende stellten überdies einen Bezug zur Rap-/Hip-Hop-Szene her. Des Weiteren wiesen n = 4 Konsumierende auf besondere (Neben-)Wirkungen hin, etwa eine schnelle Toleranzentwicklung. Auch verändere Lachgas bei Langzeitkonsum die Persönlichkeit und mache teilweise reizbar und aggressiv. Die leichte Verfügbarkeit – etwa über das Internet, Tankstellen, Supermärkte, Spätis, Kioske, Headshops, Clubs – wurde von n = 22 Konsumierenden hervorgehoben und von n = 11 Konsumierenden der niedrige Preis.
Die Angaben der im Rahmen der Fokusgruppe befragten Expert:innen sind in unserem Bericht zum Trendspotter zu Lachgas dargestellt, der in Kürze erscheint und unter folgendem Link abrufbar sein wird: https://mindzone.info/news/trendspotter/.
Cannabis
Neuentwicklungen bezüglich Cannabis wurden von insgesamt n = 64 Konsumierenden genannt. Auf THC-haltige Cannabisprodukte bezogen sich dabei n = 62, auf Produkte mit hohem CBD-Gehalt n = 27.
Dass THC-haltige Cannabisprodukte insgesamt häufiger konsumiert würden, gaben n = 17 an. Die Häufigkeit des Mischkonsums von Cannabis mit mindestens einer anderen Substanz habe n = 6 Konsumierenden zufolge zugenommen. Mit Cannabis kombiniert würden: Alkohol (n = 3), MDMA (n = 2), Amphetamin (n = 2), Opioide (n = 2), „Snus“ (Oraltabak) bzw. „alles mit allem“. Überdies gaben n = 11 Konsumierende an, dass Cannabis häufiger von bestimmten Usergruppen konsumiert würde, n = 7 nannten in diesem Zusammenhang Jugendliche/junge Erwachsene. Weiterhin habe sich laut n = 6 Konsumierenden die Dosierung und die Art der Einnahme verändert. So würden nach Angaben von n = 2 Konsumierenden THC-haltige Cannabisprodukte in der letzten Zeit höher dosiert und laut n = 5 anders appliziert, zum Beispiel als Edible gegessen statt als Blüte geraucht oder gedampft statt geraucht. Auf eine besondere Wirkung von Cannabis wurde von n = 6 Konsumierenden hingewiesen (zum Beispiel Entspannung; n = 2) und auf Nebenwirkungen von n = 3 Konsumierenden (zum Beispiel Müdigkeit/Lustlosigkeit sowie Antriebslosigkeit bei Langzeitkonsum). Außerdem gaben n = 4 Konsumierende an, dass Cannabis zum Teil mit synthetischen Cannabinoiden versetzt und verkauft würde, was auch ein:e Expert:in aus dem Bereich der Partyszene Sachsens im Rahmen der E-Mail-Abfrage berichtete. Weitere Konsumierende gaben an, dass THC-haltige Cannabisprodukte besonders leicht verfügbar (n = 16), besonders günstig (n = 12) sowie besonders rein (n = 6) seien. Cannabis sei zudem aktuell häufiger im Gespräch (n = 13); als Grund wurde vor allem die geplante Legalisierung angeführt (n = 8).
Von n = 6 Konsumierenden wurde das Auftreten von Produkten mit hohem CBD-Gehalt als Neuheit in der Szene angegeben sowie von n = 4 ein insgesamt häufigerer Konsum. Die leichte Verfügbarkeit von Produkten mit hohem CBD-Gehalt wurde von n = 9 Konsumierenden berichtet, hinzukäme der besonders niedrige Preis (n = 7) sowie die besonders hohe Reinheit (n = 5).
HHC
Bezüglich HHC machten insgesamt n = 39 Konsumierende Angaben zu Neuentwicklungen. Am häufigsten wurde von n = 22 Konsumierenden der rechtliche Status von HHC angesprochen, häufig in Zusammenhang mit THC-haltigen Cannabisprodukten bzw. dem Gebrauch von HHC als vermeintlich legale Alternative zu THC-haltigen Cannabisprodukten. Weiterhin berichteten n = 14 Konsumierende über die leichte Verfügbarkeit von HHC, unter anderem an Tankstellen, Automaten und Kiosken. Über die Wirkung von HHC machten n = 7 Konsumierende Angaben, wobei die Wirkung von HHC unter anderem mit der THC-haltiger Produkte verglichen wurde. Auf die Vermarktung bzw. Darstellung von HHC in den sozialen Medien gingen n = 4 Konsumierende ein.
Darüber hinaus äußerten sich insgesamt n = 6 Expert:innen mit Fokus auf die Partyszene in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt zu neueren Entwicklungen in Zusammenhang mit HHC. Davon gaben n = 3 Expert:innen an, dass HHC vermutlich aufgrund der erhöhten Verfügbarkeit an Bedeutung gewonnen habe, insbesondere unter Jugendlichen.
„Es ist eine total gängige Sache geworden, dass man es einfach so in den Spätis kaufen kann. Und die Jugendlichen, die jetzt in das Alter kommen, wo sie gerne neue Sachen ausprobieren, probieren [HHC] jetzt, als ob es eine Substanz wäre, die es bereits seit 100 Jahren gäbe. Das ist schon bedenklich.“
Expert:in aus Bayern
Ein:e weitere:r Expert:in aus Nordrhein-Westfalen berichtete, dass HHC zwar manchmal auf den Verpackungen angegeben sei, jedoch nicht auf den Vapes selbst. Dies wäre bei einer möglichen Regulierung wichtig zu berücksichtigen, um für Konsumierende mehr Klarheit bzgl. der Inhaltsstoffe zu schaffen, auch wenn keine Verpackung mehr vorhanden sei.
Weiterführende Informationen finden sich in dem im September 2023 erschienenen Trendspotter-Bericht zu HHC.
Medikamente: Opioide und Benzodiazepine
Von n = 50 Konsumierenden wurden Neuentwicklungen bezüglich des missbräuchlichen Gebrauchs von Medikamenten genannt. Hierbei bezogen sich n = 43 auf opioidhaltige Medikamente und n = 23 auf Benzodiazepine. Als weitere Substanzen wurden Gabapentin/Pregabalin (Lyrica®, n = 8), Methylphenidat (Ritalin® etc., n = 4) und andere Medikamente (n = 4) genannt.
Von den Expert:innen äußerten sich im Rahmen des Fokusgruppeninterviews bzw. per E-Mail insgesamt n = 9 zum missbräuchlichen Gebrauch von Medikamenten innerhalb der Partyszene und/oder unter Jugendlichen/jungen Erwachsenen. Hiervon berichtete ein:e Expert:in aus Nordrhein-Westfalen, dass Tilidin, Codein sowie Benzodiazepine gefühlt rückläufig seien (und möglicherweise durch Ketamin abgelöst würden), während n = 7 Expert:innen aus Bayern, Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt eher eine Zunahme im Konsum von opioidhaltigen Medikamenten und Benzodiazepinen (und zum Teil auch von Ketamin, s.u.) beobachteten, zumindest in kleineren Szenen.
„[Innerhalb der Hip-Hop-(Trap-)Szene] ist es auf jeden Fall ein Thema. Tilidin bzw. Opioide und Benzodiazepine sind dort längst nicht mehr so verpönt wie früher und werden mehr konsumiert. Die [Konsumierenden] nehmen das am Anfang des Abends/Festivals und das begleitet sie dann; dann nimmt man halt noch andere Substanzen. [Am Infostand] kommen dann häufig Fragen wie: ‚Ich habe heute Morgen Tilidin genommen, retardiert, jetzt habe ich irgendwie zwei Bier getrunken und würde gerne einen Joint rauchen. Kannst du mir das empfehlen?‘ – Das war früher nicht so, ist innerhalb der Hip-Hop-Szene aber nun so, wo das vielleicht auch durch die Vorbilder verharmlost wird. […]. Das gibt es aber auch in anderen Szenen: Es wird zum Beispiel auch genommen, um LSD-Trips zu stoppen. Und wieder andere Personen, die vielleicht soziale Ängste haben oder so, medikamentieren sich selbst.“
Expert:in aus Bayern
Dies bestätigte ein:e Expert:in aus Berlin und ergänzte, dass insbesondere Benzodiazepine „sehr funktional zum Runterkommen“ genutzt würden oder auch präventiv sozusagen „als Bewaffnung hinsichtlich einer geplanten Erfahrung mit Psychedelika“. Vor zehn Jahren sei dieses Vorgehen noch als „ziemlich krass“ bewertet worden, heute habe es Normalstatus. Die Gerüchte in den sozialen Medien, dass es im Berliner Nachtleben mittlerweile auch Pillen mit Fentanylbeimischung gäbe, hätten sich bislang jedoch nicht bestätigt.
Ein:e Expert:in verwies überdies auf ein Factsheet von Infodrog – Schweizerische Koordinations- und Fachstelle Sucht, demzufolge rund die Hälfte der befragten Freizeitdrogenkonsumierenden an mindestens 3 der letzten 30 Tage opioidhaltige Medikamente sowie Benzodiazepine konsumiert haben (ähnlich zu Kokain und Amphetamin).
Als Bezugsquellen führten Expert:innen den Schwarzmarkt bzw. Dealer:innen und Bekannte an, die beispielsweise Großpackungen aus Indien bestellen würden. Auch würden sich Harduser- und Partyszene zum Teil vermischen, was die Verbreitung ebenfalls befördere. Eine weitere Bezugsquelle stellten Ärzt:innen bzw. medizinisches Personal dar. In Bezug auf Rezeptfälschungen, die ebenfalls genannt wurden, berichtete ein:e Expert:in, dass diese in der Praxis eher nicht gängig seien bzw. oftmals auffliegen würden.
Opioidhaltige Medikamente. Von den insgesamt n = 43 Konsumierenden, die opioidhaltigen Medikamenten eine zunehmende Bedeutung zusprachen, äußerten sich n = 28 zu Tilidin, n = 21 zu Fentanyl, n = 16 zu Codein, n = 7 zu Substitutionsmitteln und n = 2 zu Tramadol.
Konsumierende gaben an, dass Fentanyl (n = 11), Tilidin (n = 9) und Codein (n = 6) neu in der Szene aufgetaucht seien. Tilidin werde laut n = 6 Konsumierenden insbesondere von bestimmten Usergruppen häufiger konsumiert, insbesondere Anhänger:innen der (deutschen) Rap-/Hip-Hop-Szene (n = 5) sowie Jugendliche (n = 3) wurden dabei genannt. Tilidin (n = 10) sowie Codein (n = 6) seien häufig Gegenstand von Rap-/Hip-Hop-Songs und würden dadurch beworben und verharmlost. Ein:e Konsumierende:r berichtete, dass Tilidin zudem mit anderen Substanzen wie Opioiden, Benzodiazepinen, Alkohol sowie Amphetamin kombiniert und in der letzten Zeit häufiger geschnupft statt oral geschluckt werde. In Bezug auf Codein gaben n = 3 Konsumierende an, dass es (in Anlehnung an die Vorbilder aus der Rap-Szene) häufiger als Mischgetränk („Lean“) konsumiert werde als bisher als purer Hustensaft oder in Tropfen-/Tablettenform. Fentanyl werde hingegen nun häufiger geraucht/gespritzt (n = 2) als als retardierendes Pflaster geklebt. Besonders gravierende Nebenwirkungen wurden insbesondere in Zusammenhang mit Fentanyl angeführt; diese reichten von Atemlähmung, über komatöse Zustände bis hin zum Tod (n = 3). Des Weiteren wurde von Konsumierenden über die leichte Verfügbarkeit von Tilidin (n = 5), Fentanyl (n = 3), Codein (n = 3) und Substitutionsmitteln (n = 2) berichtet. Verfügbar seien diese opioidhaltigen Medikamente beispielsweise über das Internet, Ärzt:innen, Apotheken, Suchtbegleitungen, Dealer:innen, Freund:innen sowie Personen, denen sie verschrieben wurden, ggf. kämen auch Rezeptfälschungen zum Einsatz. Zudem seien Tilidin (n = 4) sowie Codein (n = 2) besonders rein.
Benzodiazepine. In Bezug auf Benzodiazepine gaben n = 23 Konsumierende an, Neuentwicklungen beobachtet zu haben. Dabei berichteten n = 5 Konsumierende, dass Benzodiazepine insgesamt häufiger konsumiert würden, etwa von Jugendlichen (n = 2). Auch hier habe die Thematisierung der Substanzen in Rap-Songs einen Einfluss auf das Konsumverhalten (n = 4). In Bezug auf Nebenwirkungen wurden ein starkes Abhängigkeitspotenzial (n = 3), Kopfschmerzen, Atemdepression (v.a. in Zusammenhang mit Alkohol und Opiaten), eine starke Sedierung bis hin zu komatösen Zuständen, Erinnerungslücken/Gedächtnisverlust und anderen genannt. Des Weiteren gaben n = 4 Konsumierende an, dass Benzodiazepine besonders rein seien. Die leichte Verfügbarkeit, etwa über das Internet, Ärzt:innen oder Dealer:innen, führten weitere n = 3 Konsumierende an.
NPS
Insgesamt n = 47 Konsumierende gaben an, Neuentwicklungen bezüglich NPS beobachtet zu haben. Auf halluzinogene RCs bezogen sich dabei n = 27 Konsumierende, auf synthetische Cannabinoide n = 18, auf Cathinone n = 18, auf Designer-Benzodiazepine n = 6 und auf synthetische Opioide n = 5.
Halluzinogene RCs. Von n = 12 Konsumierenden wurde berichtet, dass halluzinogene RCs neu in der Szene aufgetreten seien. Des Weiteren gaben Konsumierende an, dass halluzinogene RCs höher (n = 2) und auch zunehmend im Mikrogrammbereich dosiert würden (n = 3). Außerdem seien sie über das Internet besonders leicht verfügbar (n = 11), besonders rein (n = 9) und besonders günstig (n = 3). Zudem thematisierten n = 2 Konsumierende den Rechtsstatus dieser Substanzen, die zum Teil noch nicht vom Betäubungsmittelgesetz (BtMG)/Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) erfasst sind.
Mit Blick auf die Partyszene thematisierten insgesamt n = 8 Expert:innen aus Bayern, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen halluzinogene RCs, d.h. insbesondere LSD-Derivate.
Ein:e Expertin aus Nordrhein-Westfalen berichtete, dass LSD-Derivate in den Clubs weniger ein Thema darstellten, auf den Festivals hingegen jedoch vermehrt.
„Vor zwei Jahren hatten wir sogar den Fall, dass der Veranstalter einen LSD-Stand hatte, der dann diese Derivate vertrieben hat. Und da hatten wir dann natürlich entsprechend viele PsyCare-Fälle. Also, das sind Personen, die häufig eine Betreuung brauchen, weil sie sehr lange Trips haben. […]. Die [Leute von dem LSD-Stand] haben dabei ganz, ganz schlimme Werbung gemacht; die waren so nach dem Motto: ‚LSD ist für jeden eine gute Idee, das ist eine ganz tolle Erfahrung und es bringt dich weiter! Mach es einfach, es kann gar nichts passieren.‘ Zudem gab es ein Glücksrad. Wenn man ‚Glück‘ hatte, hat man die hohe Dosis bekommen – und die war schon wirklich auch für erfahrene Leute hoch. Teilweise haben sie [die Festivalbesucher:innen] auch mit eher kleineren Dosierungen angefüttert und versprochen: ‚Wenn es dir gefallen hat, kommst du morgen wieder und holst dir eine große Dosis ab.‘“
Expert:in aus Nordrhein-Westfalen
So könne es zum einen aufgrund von zu viel konsumierter Substanz zu außergewöhnlich langen Trips kommen, zum anderen gäbe es aber auch bestimmte LSD-Derivate, die grundsätzlich besonders lange wirkten. Ein:e Expert:in aus Hamburg ergänzte, dass ihnen LSD-Derivate durchaus auch in Clubs bzw. auf Goa-Veranstaltungen begegneten, wobei hier auch oftmals im „Low-Dose“-Bereich konsumiert würde, was derart lange Trips eher unwahrscheinlich mache.
Insgesamt berichteten die Expert:innen, dass sämtliche LSD-Derivate einfach im Internet zu bestellen seien. Dabei würden die Shops in der Regel zwar eine andere Marketingstrategie und Aufklärungspolitik verfolgen als die oben erwähnten LSD-Stände, jedoch käme es dennoch regelmäßig zu Überdosierungen, da Konsumierende die Menge der Substanzen nicht richtig einschätzen könnten.
Synthetische Cannabinoide. Von n = 5 Konsumierenden wurde berichtet, dass synthetische Cannabinoide neu in der Szene aufgetreten seien. Weitere Konsumierende gaben an, dass synthetische Cannabinoide besonders leicht verfügbar (n = 2) und besonders günstig (n = 3) seien. Von n = 2 Konsumierenden wurde zudem angemerkt, dass synthetische Cannabinoide mit gefährlichen Streckstoffen/Beimengungen verkauft würden. Außerdem ginge n = 2 Konsumierenden zufolge der Konsum mit Nebenwirkungen einher, beispielsweise Abgeschlagenheit, Reizbarkeit, Verwirrung, Kopfschmerz und Übelkeit.
Cathinone. Cathinone seien n = 8 Konsumierenden zufolge neu in der Szene aufgetreten. Sie würden insgesamt häufiger konsumiert (n = 4) und mit Ketamin sowie Amphetamin kombiniert. Allerdings müsse sehr schnell nachgelegt werden, was zu einem häufigen Konsum führe. Des Weiteren seien Cathinone besonders günstig (n = 2).
Insgesamt n = 9 Expert:innen aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt berichteten, dass, zumindest in bestimmten Settings, Mephedron (4-MMC) und/oder 3-MMC, aber auch andere Cathinonderivate an Bedeutung gewonnen haben. Aus Baden-Württemberg, einer Stadt in Bayern, Berlin sowie zwei Städten in Sachsen und Sachsen-Anhalt wurde in diesem Zusammenhang Mephedron genannt, das v.a. in Informationsgesprächen im Partykontext sowie in Online-Beratungen/digitalem Streetwork vermehrt Thema sei. In einer anderen Stadt in Bayern nehme man Mephedron zwar auch wahr, hier habe man allerdings den Eindruck, dass dies dann häufig aus Berlin stamme und inzwischen 3-MMC Mephedron vorgezogen würde. Aus Berlin wurde dazu ergänzt, dass Mephedron vor etwa zehn Jahren – zunächst in der queeren Szene, später auch in anderen Szenen – mit zu den beliebtesten Substanzen zählte, was sich mit der COVID-19-Pandemie und dem Trend hin zu eher sedierenden Substanzen wie GBL jedoch verändert habe. Seither seien alle eher „auf der Jagd nach 3-MMC“. Wenngleich die Nachfrage nach 3-MMC in den letzten Jahren zumindest mancherorts („extrem“) gestiegen sei, bliebe häufig jedoch unklar, ob es sich bei 3-MMC (und den vermeintlich besseren Erfahrungen damit) tatsächlich um 3-MMC handle. Drug-Checking-Projekte und auch die NEWS-Substanzprobenanalysen stellten in als 3-MMC deklarierten Proben häufig andere Substanzen fest (zum Beispiel 3-/4-CMC).
Wie ein:e Expert:in aus Nordrhein-Westfalen anmerkte, spiele 3-MMC (zusätzlich zu beispielsweise Mephedron, Crystal Meth, GHB/GBL, Ketamin) mittlerweile auch in der Chemsex-Szene eine wichtige Rolle. Ein:e Expert:in aus Berlin berichtete darüber hinaus, dass seit Herbst 2023 vermehrt „Monkey Dust“ (MDPHP) in der Chemsex-Szene (ausschließlich MSM) konsumiert würde. Dies sei primär auf „Chills“ (Chemsex-Partys) und weniger in Clubs der Fall.
Bezogen würden diese Cathinone vorranging zum Beispiel über Messenger und weniger über das Internet. Zudem würden sie praktisch ausnahmslos zusammen mit anderen Substanzen konsumiert. An unerwünschten Wirkungen des Konsums dieser Cathinone wurde der starke Suchtdruck bzw. Craving hervorgehoben:
„Menschen, denen die Substanz liegt, die die Substanz mögen, können da ziemlich schnell in so eine Spirale reinkommen. […]. Ich weiß von einem, der dann so viel [Mephedron] konsumiert hat, dass er mit 23 [Jahren] an Nierenversagen gestorben ist. Also, das ist schon eine Substanz, die Potential hat, dass man sich damit ziemlich schnell zugrunde richten kann.“
Expert:in aus Sachsen
Kokain und Crack
Insgesamt n = 33 Konsumierende machten Angaben zu neuen Trends bzgl. Kokain, wobei sich n = 14 darauf bezogen, dass die Häufigkeit des Konsums allgemein gestiegen sei. Weitere n = 6 Konsumierende gaben zudem eine Zunahme des Mischkonsums von Kokain mit Alkohol (n = 4), Cannabis sowie Ketamin an. Außerdem werde Kokain häufiger von bestimmten Usergruppen (n = 6), etwa Jugendlichen und jungen Erwachsenen (n = 3), konsumiert. Auch werde Kokain mit der Techno-/Partyszene assoziiert (n = 4) und läge in der letzten Zeit „im Trend“ (n = 2). Als Nebenwirkungen berichteten n = 2 Konsumierende ein hohes Abhängigkeitspotenzial, Schlaflosigkeit, verschiedene körperliche Beschwerden sowie Selbsthass. Weiterhin sei laut n = 2 Konsumierenden Kokain in letzter Zeit mit Streckstoffen unterschiedlicher Art verkauft worden, darunter Backpulver/Thea, Lösungsmittel bzw. Aceton, Waschpulver und „andere starke Drogen/Wirkstoffe“. Darüber hinaus wurden eine besonders leichte Verfügbarkeit (n = 7), ein besonders günstiger Preis sowie eine besondere Reinheit (je n = 6) genannt.
In Bezug auf Crack machten n = 14 Konsumierende Angaben zu Neuentwicklungen. Je n = 2 Konsumierende berichteten, dass Crack insgesamt häufiger konsumiert und dabei auch höher dosiert werde. Außerdem habe sich die Applikationsform laut n = 2 Konsumierenden weg vom Spritzen hin zum Rauchen verändert. Crack sei laut je n = 2 Konsumierenden überdies besonders leicht verfügbar, besonders günstig und besonders rein.
Weitere Informationen zu Crack finden sich in dem im Dezember 2021 erschienenen Trendspotter-Bericht zu Crack sowie im Update dazu, welches im Februar 2023 veröffentlich wurde.
Ketamin
Neuentwicklungen, die sich auf Ketamin beziehen, wurden von insgesamt n = 37 Konsumierenden genannt, wovon n = 11 angaben, dass Ketamin neu in der Szene aufgetreten sei. Es werde allgemein häufiger konsumiert (n = 12) und auch die Häufigkeit des Mischkonsums sei gestiegen (n = 7), insbesondere der Konsum zusammen mit Kokain (n = 5) und Amphetamin (n = 2). Der Konsum von Ketamin wurde zudem von n = 5 Konsumierenden mit bestimmten Usergruppen in Zusammenhang gebracht, etwa Angehörigen der Techno-/Partyszene (n = 5) sowie Jugendlichen/jungen Erwachsenen (n = 2), aber auch Social Media (n = 2). Nebenwirkungen in Zusammenhang mit Ketaminkonsum wurden von insgesamt n = 3 Konsumierenden beschrieben: eine stark veränderte Wahrnehmung/Halluzinationen, Kopfschmerzen, Müdigkeit bis hin zu vorübergehender Bewusstlosigkeit, psychoseartige Zustände, introvertierte Verhaltensweisen während des Akutrausches sowie ein sog. „K-Hole“. Des Weiteren sei die Wirkung mit der von Alkohol vergleichbar (n = 2). Darüber hinaus wurde berichtet, dass Ketamin besonders leicht verfügbar (n = 7), besonders günstig (n = 2) und besonders rein (n = 2) sei.
Auf Ketamin gingen insgesamt n = 11 Expert:innen ein. Diese stammten aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen sowie Sachsen-Anhalt und gaben an, dass Ketamin – zum Teil schon seit Längerem und in der letzten Zeit zunehmend in Kombination mit anderen Substanzen – eine große Rolle im Partykontext/Bereich „digital Streetwork“ spiele.
In Berlin erlebte Ketamin bereits um die Jahre 2012/2013 „seinen Durchbruch“ und um die Jahre 2015/2016 spiegelte sich seine Beliebtheit auch beispielsweise in verschiedenen Memes wider. Mittlerweile würden zwar eher Mephedron usw. „gehypt“ (s.o.), dennoch würde Ketamin nach wie vor häufig „zum Runterkommen [zum Beispiel nach einem MDMA-Trip] oder auch nur zum Schlafen“ gebraucht oder auch im Mischkonsum, zum Beispiel als „Keks“ (mit Kokain), mit Speed oder auch zunehmend mit MDMA. Aus Bayern wurde berichtet, dass oftmals auch ein Mischkonsum von „partyuntauglichen“ Substanzen praktiziert würde, etwa Ketamin und LSD. Auch die Kombination mit 2C-B wurde genannt. In anderen Städten, etwa in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen, sei Ketamin zwar etwas zeitversetzt angekommen, inzwischen gelte es aber als fester Bestandteil, auch unter jungen Menschen (< 18 Jahre).
Allgemein neue Phänomene
Insgesamt n = 36 Konsumierende beschrieben allgemein neue Phänomene. Hier wurde vor allem vermehrt das Thema Social Media aufgegriffen, vor dem Hintergrund zunehmend junger Personen, die ihren Substanzkonsum öffentlich darstellen. Auch eine Verharmlosung des Konsums wurde in diesem Zusammenhang häufig genannt.
In der Fokusgruppe mit Expert:innen wurde zudem diskutiert, ob es mehr Mischkonsum gäbe.
„Seit fast 30 Jahren gibt es ‚mehr Mischkonsum‘ und alle zwei, drei Jahre wird dieses Narrativ sozusagen wiederholt. Natürlich ist auch das Substanzangebot vielfältiger geworden. Also, insofern mag da auch in gewisser Weise etwas dran sein, weil man natürlich viel mehr Substanzen [miteinander kombinieren kann] als früher. Auch sind die Leute einfach besser ‚educated‘ und fragen daher deutlich mehr nach, was man mischen sollte und was besser nicht.“
Expert:in aus Berlin
Als praktische Informations-Tools wurden in diesem Zusammenhang zum Beispiel die folgenden genannt:
- https://combi-checker.ch/
- https://tripsit.me/
- App „Open Mind“
Forenanalyse
Was haben wir gemacht?
Im Beobachtungszeitraum vom 1. Dezember 2023 bis zum 29. Februar 2024 wurden in überwiegend deutschsprachigen Beiträgen aus insgesamt fünf Drogenforen im Internet verschiedene Substanzen identifiziert, die besonders häufig Erwähnung fanden. Diese Substanzen können zumindest im weiteren Sinne den NPS zugerechnet werden. Es wurde die Gesamtzahl aller Forenbeiträge pro Substanz sowie die Anzahl der Posts zu bestimmten Themen erfasst. Zudem wurden die konkret besprochenen Inhalte der jeweiligen Themen grob skizziert.
Was haben wir festgestellt?
In der Tabelle unten werden die am häufigsten in Forenbeiträgen erwähnten NPS dargestellt. Es wird sowohl die Gesamtzahl der Posts als auch die Anzahl der Posts zu spezifischen und wiederholt aufkommenden Themen erfasst.
Anzahl der Posts zu im Rahmen von Forenbeiträgen häufig erwähnten NPS insgesamt sowie zu bestimmten Themen.
Substanz / Substanzklasse | Wirkung | Neben-wirkungen | rechtlicher Status | chem. Detail-fragen | Einkauf | Her-stellung | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
(Halb-)synthetische Cannabinoide | ||||||||
Hexahydrocannabinol (HHC) | 1063 | 129 | 225 | 99 | 409 | 89 | 82 | 23 |
Synthetische Opioide | ||||||||
O-Desmethyltramadol (O-DSMT) | 704 | 139 | 120 | 132 | 67 | 85 | 122 | - |
Halluzinogene Research Chemicals | ||||||||
1D-LSD | 362 | 54 | 43 | 97 | 120 | - | 39 | 2 |
1T-LSD | 96 | 29 | 21 | 7 | 37 | - | - | - |
„Designer-Benzodiazepine“/Pro Drugs | ||||||||
Rilmazafone | 454 | 119 | 19 | 81 | 171 | - | 23 | 6 |
Cathinone | ||||||||
α-Pyrrolidinoisohexanophenon | 92 | 20 | 9 | 21 | 9 | 15 | 13 | - |
Zu dem halbsynthetischen Cannabinoid HHC wurden die meisten Forenbeiträge verfasst. Am häufigsten wurde hier der rechtliche Status besprochen. Dabei ging es vor allem um die geplante Unterstellung unter das NpSG sowie Möglichkeiten des Nachweises, zum Beispiel über einen Bluttest oder Drogenspürhunde. Auch über die Nebenwirkungen und Wirkung wurden zahlreiche Beiträge gefunden. Diskutiert wurden Krankenhausaufenthalte, Abhängigkeit und Entzug sowie Schlafprobleme und Langzeitwirkung. Vermehrt wurde auch der Vergleich zu THC/THCP aufgestellt. Über Konsummuster und -formen, etwa Mischkonsum mit Kratom und den Konsum in Form von HHC-Destillat, chemische Detailfragen sowie den Einkauf wurde ebenfalls gesprochen. Bei Letzterem ging es zum Beispiel um die fälschliche Deklarierung von HHC als THC und die Verfügbarkeit an Tankstellen. Die Herstellung von HHC wurde ebenfalls häufig diskutiert.
Über das synthetische Opioid O-Desmethyltramadol (ODSMT) wurden auffallend mehr Forenbeiträge verfasst, als es im letzten Quartal der Fall war. Diese bezogen sich vor allem auf die Themen Wirkung, Nebenwirkungen, Konsummuster und Einkauf. Zur Wirkung wurde unter anderem über den Geschmack und den Trip an sich berichtet, während bei Nebenwirkungen vor allem der Entzug, die Toleranz und eine mögliche Selbstmediation im Vordergrund standen. Bei Konsummustern ging es mitunter um den Mischkonsum mit Methocarbamol und die Nutzung als Antidepressivum. Des Weiteren wurden Beiträge zu Falschdeklarationen und zur Halbwertszeit verfasst.
In Bezug auf die LSD-Derivate 1D-LSD und 1T-LSD, die als Nachfolger von 1V-LSD gelten (welches inzwischen jedoch durch das NpSG abgedeckt wird), wurde vermehrt der rechtliche Status diskutiert. Auch Konsummuster spielten vermehrt eine Rolle, vor allem ging es hierbei um Mischkonsum mit anderen Substanzen und Microdosing. Bei den Nebenwirkungen wurde von Überdosierungen, erweiterten Pupillen und Horrortrips gesprochen. Außerdem wurden die beiden LSD-Derivate bzgl. ihrer Wirkung miteinander verglichen.
Rilmazafone wurde vor allem bezüglich seines rechtlichen Status und der Wirkung besprochen. Polizeiliche Anzeigen und das NpSG sowie Vergleiche zu und Mischkonsum mit anderen Substanzen, darunter andere Benzodiazepine, Alkohol oder ODSMT, wurden thematisiert. Zudem wurden Nebenwirkungen wie ein Rückfall, der Einkauf und die Herstellung diskutiert.
In Forenbeiträgen zu dem Cathinon α-Pyrrolidinoisohexanophenon (alpha-PiHP) wurde über Erstkonsum und inhalativen Konsum gesprochen. Außerdem wurde die schwere Beschaffung diskutiert und Nebenwirkungen wie Albträume waren ein Thema.
Analyse von Substanzproben und Warnmeldungen
Was haben wir gemacht?
Seit Ende August 2022 werden Substanzproben von aktuell 16 NEWS-Abgabestellen entgegengenommen, die über das IFT anonymisiert zur Analyse an das EU-Projekt ADEBAR plus eingeschickt werden. Nähere Informationen dazu finden sich auch auf unserer Website. In der vorliegenden Auswertung wurden insgesamt 34 Proben berücksichtigt, deren Befundberichte zwischen dem 5. Dezember 2023 und dem 13. März 2024 bei uns eingetroffen sind. Zu insgesamt fünf dieser Proben wurden Warnmeldungen veröffentlicht.
Was haben wir festgestellt?
Im Zeitraum der Auswertung enthielten fünf der berücksichtigten Substanzproben psychoaktive Inhaltsstoffe, die laut Angaben der Verkäufer:innen und Konsumierendenerwartungen nicht enthalten hätten sein sollen.
In einer als „Joker“ deklarierten Räucher-/Kräutermischung ohne Angabe von Inhaltsstoffen wurden die synthetischen Cannabinoide Cumyl-PINACA und Cumyl-3TMS-PrINACA festgestellt. Die:der Konsumierende empfand die Wirkung der Probe als stärker als erwartet, zumal aufgrund der Deklarierung des Produkts nicht mit einer starken psychoaktiven Wirkung gerechnet wurde. Weiterhin wurde in einer Substanzprobe 2C-E statt wie erwartet LSD identifiziert. Warnmeldungen zu diesen beiden Proben erfolgten am 10. Januar 2024.
In einer Substanz, die laut Verkäufer:innenangaben HHC enthalten sollte, erhielt stattdessen CBD, HHC-P-Acetat sowie Spuren von THC. Die Wirkung war stärker als erwartet und führte außerdem zu einem „Drauf-Gefühl“ und erweiterten Pupillen. Eine Warnmeldung zu dieser Probe wurde am 27. Februar 2024 veröffentlicht. Eine weitere Substanzprobe enthielt wider Erwarten ein Methylmethcathinon (MMC)-Isomer und eine Spur Kokain statt LSD und verursachte eine extrem starke und lange Wirkung sowie Angst und Panikgefühl.
Bereits im vergangenen Quartals-Update (Q4/2023) wurde zudem über eine Warnmeldung vom 8. Dezember 2023 berichtet, die statt 4-MMC 4-CMC enthielt und starkes Herzrasen, Paranoia sowie starkes Nasenbrennen als Nebenwirkungen hervorrief.
Die verbleibenden n = 29 Proben enthielten die angegebenen Wirkstoffe, waren zum Teil aber mit Koffein, Paracetamol und weiteren Stoffen gestreckt.
Insgesamt wurde im Beobachtungszeitraum n = 7 Proben Amphetamin festgestellt, das in n = 5 Fällen mit Koffein gestreckt wurde. In jeweils n = 1 der Proben war zusätzlich zu Koffein Etoricoxib und 1-Phenethylamin enthalten. Ein Überblick über sämtliche Analyseergebnisse im Beobachtungszeitraum ist in der Abbildung unten dargestellt.
n =34
* Vier der Amphetaminproben enthielten Koffein, je eine Probe enthielt zusätzlich zu Koffein 1-Phenethylamin bzw. Etoricoxib.
** Eine der Kokainproben enthielt zusätzlich Spuren von Ketamin, eine andere Kokainprobe enthielt zusätzlich Natriumhydrogencarbonat.
*** Eine MDMA-Probe enthielt geringe Mengen eines Chlormethcathinon-Isomers.
**** Beide Heroinproben enthielten Paracetamol und Koffein.
Die Konsumierenden gaben verschiedene Einsendegründe an, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Als häufigster Einsendegrund wurde von n = 17 Konsumierenden genannt, dass die Substanz qualitativ anders gewirkt habe als erwartet. Von n = 12 wurde angegeben, dass die Substanz unerwartete/besonders heftige Nebenwirkungen, wie beispielsweise extreme Übelkeit, Paranoia, Kreislaufzusammenbrüche und Panik, verursacht habe. Insgesamt n = 8 Konsumierende führten eine stärkere Wirkung als Grund an, n = 5 eine schwächere Wirkung.