Substanz
Der Wirkstoff Tilidin ist ein synthetisch hergestellter Wirkstoff und gehört zur Stoffgruppe der Opioide. Opioide sind eine chemisch nicht einheitlich aufgebaute Stoffklasse, welche im Körper eine stark schmerzlindernde (analgetische) Wirkung ausübt. Sie werden daher auch Opioid-Analgetika genannt.
Im Vergleich zu Morphin hat Tilidin allerdings eine 5-mal schwächere schmerzstillende Wirkung. Im WHO-Stufenplan zur Schmerztherapie wird Tilidin daher als schwach wirkendes Opioid eingestuft und für mittelstarke Schmerzen empfohlen (Stufe II von III).
Einnahme
Tilidin wird in der Regel als Tablette, Retard-Tablette oder in Form von Tropfen verabreicht. Die Dosierung wird vom behandelnden Arzt festgelegt und sollte unbedingt eingehalten werden.
In den meisten Fällen kommen Tilidin-Tropfen und -Retard-Tabletten zum Einsatz. Retard-Tabletten setzen den Wirkstoff nur langsam frei, wodurch die Wirkdauer verlängert wird. Das hat den Vorteil, dass der Patient das Medikament weniger oft anwenden muss. So werden Tilidin-Retard-Arzneiformen je nach Dosierung nur ein- bis zweimal täglich, Tilidin-Tropfen dagegen bis zu sechsmal am Tag eingenommen.
Wirkung
Opioide wie Tilidin erzielen ihre schmerzstillende (analgetische) Wirkung durch Aktivierung von Opioid-Rezeptoren im menschlichen Körper. An die gleichen Rezeptoren binden übrigens auch die körpereigenen, jedoch nicht strukturverwandten Endorphine (körpereigene Schmerzmittel).
Durch die Aktivierung der Opioid-Rezeptoren hemmt Tilidin indirekt die schmerzvermittelnden neuronalen Systeme im Körper.
Die schmerzstillende Wirkung tritt ca. 10 bis 15 Minuten nach Anwendung ein. Solange dauert es, bis der Stoff in der Leber in die eigentliche Wirksubstanz, das sog. Nortilidin, umgewandelt wurde. Die Wirkdauer des Schmerzmittels beträgt ungefähr 3 bis 6 Stunden.
Kurzzeitwirkungen
Unter der Anwendung von Tilidin kann es u.a. zu Nebenwirkungen kommen, die das Nervensystem betreffen. So treten häufig Schwindel, Blutdruckabfälle, Benommenheit, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Nervosität auf.
Zugleich wirkt Tilidin euphorisierend, enthemmend und beruhigend. Gelegentlich kann es auch zu Halluzinationen kommen. Aufgrund dieser Nebenwirkungen wird Tilidin zunehmend missbräuchlich zu Rauschzwecken als Droge konsumiert.
Nebenwirkungen im Magen-Darmtrakt (Verstopfung und Übelkeit) sowie eine Beeinträchtigung der Atmung (atemdepressive Wirkung) sind seltener zu beobachten, wenn das Schmerzmittel in der gängigen Kombination mit Naloxon verabreicht wird. Als weitere unerwünschte Wirkung wird oft vermehrtes Schwitzen beobachtet.
Die Tilidin-Wirkung kann das Nervensystem stark beeinträchtigen (Schwindel und Benommenheit), wodurch eine sichere Bedienung von Maschinen und Fahrzeugen eventuell nicht mehr gewährleistet ist. Konsumenten sollten dies unbedingt beachten. Gegenanzeigen für Tilidin sind Einschränkungen der Atemfunktion (wie Asthma), Koliken der Harnwege, starke Spannung in der glatten Muskulatur und eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse.
Wechselwirkungen
Gefährlich ist die Kombination von Tilidin und Alkohol oder Beruhigungsmitteln. Denn dabei kann es zu einer gegenseitigen Verstärkung und Verlängerung der dämpfenden Wirkung auf das Zentralnervensystem kommen. Diese Kombinationen können so stark atemdepressiv (flache, langsame Atmung) wirken, dass es zum Tode durch Atemlähmung kommen kann.
Tilidin sollte ebenfalls nicht mit anderen Opioiden kombiniert werden, da die resultierende Wirkung aufgrund von Wechselwirkungen nicht abgeschätzt werden kann.
Langzeitwirkungen
Da Tilidin unter anderem die Stimmungslage und die Psyche beeinflussen kann, besteht die Gefahr, dass das Medikament missbräuchlich angewendet wird.
Um dem vorzubeugen, darf es in Deutschland nur als Kombinationspräparat mit Naloxon angewendet werden, das seine Wirkung ab einer bestimmten Konsummenge aufhebt und zudem für Entzugssymptome sorgt.
Bei chronischem Konsum kann sich eine körperliche und psychische Abhängigkeit entwickeln. Auch stellt sich eine Toleranzentwicklung ein, so dass die Dosis für die gewünschte Wirkung zunehmen erhöht werden muss.
Wird der Konsum abrupt beendet, treten psychische und körperliche Entzugserscheinungen auf, wie z.B. Ruhelosigkeit, Reizbarkeit, Magen- und/ oder Beinkrämpfe, Muskelschmerzen, Kälteschauer, Zittern, heftiges Schwitzen, Muskelzucken. Vereinzelt wurden bei Konsumenten psychische Veränderungen beobachtet. Ein Entzug kann aufgrund des hohen Abhängigkeitspotentials vergleichbar schmerzhaft und lang wie ein Heroin-Entzug sein.
Bei Männern kann es zu einer verringerten sexuellen Lust oder zu Unfruchtbarkeit kommen. Während bei Frauen eine unregelmäßige oder ausbleibende Menstruation sowie verminderte Fruchtbarkeit beobachtet wurde.
Weitere Langzeitrisiken sind allergische Reaktionen, Schlafstörungen und Schwindelgefühle.
Rechtlicher Status
Tilidin ist in Deutschland ein verschreibungspflichtiges Medikament.
In den meisten Darreichungsformen wird es als Betäubungsmittel (BTM) eingestuft und braucht als solches ein spezielles Rezept (BTM-Rezept).
Der Grund für die BTM-Rezeptpflicht besteht darin, dass das Opioid ein hohes Missbrauchspotential besitzt und bei unnötig häufiger Anwendung zu einer starken Abhängigkeit führen kann.
Seit Januar 2013 sind nur noch die Retard-Tabletten nicht dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterstellt.